Fassadenverschattung

Bauen und Gebäude
Werkstoffherstellung

Bewegliche Strukturen sind Grundlage für die meisten komplexen technischen Produkte. Relativ einfache Bewegungen wie Öffnen und Schließen werden dabei in der Regel mit Gelenken aus Scharnieren, steifen Stäben und Platten sowie einem (elektrischen) Antrieb umgesetzt. Diese beweglichen Strukturen müssen oftmals mit Schmierstoffen gängig gemacht werden und verschleißen in der Nutzungsphase. Öffnen und schließen sind in der Natur sehr häufig zu beobachtende Mechanismen. Beispielsweise schließen sich fleischfressende Pflanzen sehr schnell, sobald eine Beute auf ihnen gelandet ist. Blütenblätter, Fichtenzapfen und Samenkapseln weisen unterschiedliche Öffnungsmechanismen auf, die ohne zusätzliche Bauteile auskommen und aufgrund von biegeelastischen Strukturen funktionieren. In den Fokus der Forschung ist die Paradiesvogelblume (Strelitzie) gerückt. Diese Blume stammt aus Südafrika und wird von Vögeln bestäubt. Dazu lassen sie sich auf einer von der Blüte gebildeten Sitzstange nieder, die aus zusammengewachsenen Blütenblättern gebildet wird. Durch das Gewicht des Vogels und den Druck nach unten öffnen sich die Blütenblätter und die Pflanze gibt Pollen ab, der am Federkleid des Vogels hängen bleibt. So kann der Vogel den Pollen auf die nächste Blüte übertragen. Dieser Effekt ist besonders interessant, da Tests gezeigt haben, dass die Blüte der Strelitzie bis zu 3.000 Mal aufgebogen werden kann, ohne dass es zu einem Materialversagen kommt. Dieser Klappmechanismus, seine Abstraktion und technische Umsetzung dienten der Entwicklung der Fassadenverschattung Flectofin® als biologisches Vorbild. Dazu wurden biegsame, hochelastische Lamellen aus Glasfaserverbundmaterial entwickelt, die ohne Gelenke oder Scharniere bewegt werden können. Für die Lamellen wurden mehrere Materialschichten übereinander laminiert. An einer Kante befindet sich ein steifes Rückgrat und gegenüber ein elastisch deformierbares Segel. Wird nun eine Kraft auf das Rückgrat ausgeübt, klappt die Zugspannung im Material das Segel um. Abhängig von der Stärke der Verformung verschattet das Segel die Fassade ganz oder nur teilweise. Zu sehen war dieses Verschattungssystem im Jahr 2012 am Themenpavillon „One Ocean“ bei der Weltausstellung in Südkorea. Dieser Klappmechanismus ist eine wichtige Entwicklung im Bauwesen, der allerdings im eigentlichen Verständnis der Ingenieurwissenschaften ein Materialversagen darstellt. Dass sich ein Bauteil unter großer Last deutlich verbiegt, gilt es klassischerweise zu verhindern. Ohne die biologische Inspiration wäre diese Form einer Fassadenverschattung wahrscheinlich nie entstanden. Der Flectofin® ist für die Anwendung bei großen, hohen Nutzgebäuden wie Bürogebäuden und Produktionshallen geeignet. Beitrag zur Ressourceneffizienz: In der Herstellungsphase werden Rohstoffe eingespart, da die bionische Fassadenverschattung aus weniger Bauteilen besteht als klassische Verschattungssysteme. In der Nutzungsphase ist der Flectofin® im Gegensatz zu klassischen Verschattungssystemen grundsätzlich wartungsfrei und zeigt nahezu keinen Verschleiß. Auf Schmierstoffe kann vollständig verzichtet werden. Die Verformung benötigt verhältnismäßig wenig Energie und kann sensorisch in Abhängigkeit vom Grad der Sonneneinstrahlung gesteuert werden. Somit werden in der Nutzungsphase des Verschattungssystems Energie und Material eingespart.

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