Beispiele aus der Praxis

Erfolgsgeschichten aus der Materialkategorie Textil

Polyamid-Herstellung aus Altreifen

  • Herstellung einer Polyamidfaser aus Abfallkunststoffen
  • VAUDE hat eine spezielle Kleidungskollektion, genannt „Recycled Kollektion“

Vaude hat als eines der ersten Unternehmen ein Verfahren eingesetzt, welches aus schwer recycelbaren Kunststoffen, wie z. B. Altreifen, Kunstfasern, wie z. B. Polyamid, erzeugt. Hierbei wird Pyrolyseöl aus dem chemischen Recycling von Altreifen bei der Polyamidherstellung zugeführt und dient so als Alternative zum Rohöl bei der Kunststoffherstellung. Dabei haben die daraus hergestellten Polyamide dieselben Eigenschaften und können genauso weiterverarbeitet werden, sodass die Produkte die gleiche Qualität wie Rohölprodukte aufweisen. Aus einem Altreifen können so etwa fünf Outdoorhosen produziert werden. Neben diesen Materialeinsparungen beträgt laut einem Life Cycle Assessment die CO2-Einsparung ca. 60 % im Vergleich zu Polyamid aus Rohöl.

Darüber hinaus gibt es bei VAUDE eine „Recycled Kollektion“. Bei dieser wird recyceltes Polyethylenterephthalat aus Flaschen und Verpackungen verwendet, um Rucksäcke und Taschen herzustellen. Durch den Einsatz von Recycling-PET können bis zu 65 % Material gegenüber der Verwendung von neuem PET eingespart werden. Ziel ist es, dass bis 2024 ca. 90 % aller VAUDE-Produkte zu mehr als 50 % aus recyceltem oder biobasiertem Material bestehen. Durch die Verwendung des aus Verpackungsmüll produzierten Recyclingkunststoffs „Procylen“ vom Recyclingunternehmen ALBA werden bei der Herstellung 3 kg Verpackungsmüll weiterverarbeitet, wodurch sich somit 54 % CO2-Emmissionen einsparen lassen.

Recycling von Baumwollfasern

  • Verarbeitung von Produktionsresten zu neuem Garn für die Textilherstellung aus Baumwolle
  • Reduzierter Energieverbrauch von 10 bis 20 %
  • 5000 l Wasser eingespart 

Die Baumwollproduktion findet auf Grund der hohen Anforderungen an die Pflanze meist in heißen Gebieten statt. In diesen Gebieten ist oftmals Wasser als Ressource bereits knapp, allerdings wird es auch zur künstlichen Bewässerung der Pflanzen benötigt. Um dem Wassermangel durch den Anbau neuer Baumwollpflanzen entgegenzuwirken, setzte die Gebrüder Otto GmbH & Co. KG auf das Projekt Recot²®.

In diesem Projekt versucht das Unternehmen die Ökobilanz von Baumwolltextilien durch den Einsatz recycelter Baumwollfaser zu verbessern. Dafür werden Fasern aus verschiedensten Prozessstufen gesammelt und mittels eines neuen Spinnverfahrens in ein Wollgarn mit Recyclinganteil eingesponnen. Da die Fasern eine Reihe an Bedingungen erfüllen müssen, um auch eine hohe Qualität des Produktes sicherzustellen, legte die Gebrüder Otto GmbH & Co. KG in Zusammenarbeit mit den Kunden den erforderlichen Zustand des Garns fest und musste anschließend die Produktion optimieren sowie entsprechend anpassen.

Schlussendlich konnte ein hochqualitatives Garn mit einer möglichen Beimengung von 50 % an recycelten Baumwollfasern entwickelt werden. Schon bei einer Produktion von einem Kilo Baumwolle, mit einer Zusammensetzung aus 75 % Bio-Baumwolle und 25 % recycelter Baumwolle, kann rechnerisch der Einsatz von Wasser für die Herstellung neuer Wolle um 5000 l reduziert werden. Außerdem konnte der Energieeinsatz am Beispiel einer Produktion von einem Kilo T-Shirts mit dem neuen Verfahren um 10 bis 20 % gesenkt werden.

Literatur:

Schmidt, M.; Spieth, H.; Bauer, J. und Haubach, C. (Hg.) (2017): 100 Betriebe für Ressourceneffizienz - Band 1. Praxisbeispiele aus der produzierenden Wirtschaft. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, S. 70.

Chemisches Recycling von Alttextilien

  • „Circulose“ als Sekundärrohstoff in der Textilindustrie
  • Jährliche Wassereinsparung von 90 Milliarden Liter

Obwohl 90 % der in Deutschland gekauften Textilien aus dem Ausland importiert werden, spielt die Textil- und Bekleidungsindustrie hierzulande eine große Rolle und beschäftigt 120.000 Menschen in 1.200 überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Textilindustrie beherbergt Prozesse, die eine beträchtliche Menge an Energie, Wasser und weiteren Ressourcen verbrauchen. Durch eine Umstellung auf die Nutzung von Sekundärrohstoffen in der Produktion besteht bedeutendes Potenzial, die Ressourceneffizienz zu steigern [Umweltbundesamt, (2019)].

Die schwedische Firma Renewcell recycelt Alttextilien, um daraus einen Sekundärrohstoff und eine ressourcenschonende Alternative zu bestehenden Rohfasern zu schaffen. In einer ehemaligen Papierrecycling-Anlage in Sundsvall, Schweden, werden die Altkleider mit Hilfe von chemischem Recycling zu dem Sekundärprodukt „Circulose“ verarbeitet. Nachdem die Kleidungsstücke sortiert, zerkleinert, entfärbt und chemisch von Unreinheiten befreit wurden, werden sie zu einer Suspension verarbeitet. Diese Suspension wird getrocknet und geschnitten, um anschließend als Ersatz für neue Rohstoffe genutzt zu werden. In der Großanlage können bei voller Nutzung aller Kapazitäten 60.000 Tonnen Textilien im Jahr mit der patentierten Methode recycelt werden [Schaub, M (2022)].

Es kann durch das Recycling der Einsatz neuer Baumwolle eingespart werden und zudem verbraucht die Herstellung neuer Textilien aus dem Sekundärrohstoff nur 50 Liter Wasser pro Kilogramm. Textilfasern aus Baumwolle benötigen bei ihrer Herstellung rund 1.600 Liter Wasser pro Kilogramm. Somit werden bei ausgelastetem Betrieb jährlich 90 Milliarden Liter Frischwasser eingespart [Schaub, M (2022)].

Literatur:

Schaub, M. (2022): Chemisches Recycling für Alttextilien [online] RECYCLING Magazin Ausgabe 04/2022.

Umweltbundesamt (2019): Textilindustrie [online] Umweltbundesamt [abgerufen am 03.06.2022 ].

Textilgarne aus Fischernetzen

  • Herstellung von hochwertigen Polyamidgarnen aus Fischernetzen und Abfallkunststoffen
  • 90 % geringeres global warming potential im Vergleich zu konventionellem Nylon
  • Einsparung von 65.100 t CO2-Emissionen

Aquafil ist ein Hersteller von synthetischen Polyamidfasern und hat ein Recyclingverfahren entwickelt, welches es ermöglicht, aus recycelten Nylon-/Polyamid-Abfällen ein Polyamid herzustellen, das in der Textilherstellung Verwendung findet. Das Recyclingpolyamid wird zu einem Nylongran verarbeitet und unter dem Markennamen ECONYL® vermarktet. Obwohl zu 100 % aus Abfällen hergestellt, besitzt es die gleichen Eigenschaften wie Nylon aus Primärrohstoffen. Dadurch kann es in einer Vielzahl von Bereichen in der Textilindustrie eingesetzt werden. 2014 wurde das Unternehmen mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.

Um den Bedarf an Sekundärrohstoffen zu decken, welche für die Herstellung des ECONYL®-Garns benötigt werden, wurde ein globales Sammelsystem aufgebaut. So werden Fischernetze, Stoffreste, Teppichböden und Industriekunststoffe als Sekundärrohstoff auf der ganzen Welt gesammelt. Die Fischernetz-Abfälle im Meer machen 10 % des Kunststoffmülls in den Ozeanen aus. In Kooperation mit der Healthy Seas Foundation konnten seit dem Start in 2013 schon 453 t Fischernetz-Abfälle gesammelt werden. Darüber hinaus betreibt Aquafil in den USA zwei eigene Teppichboden-Recyclinganlagen. Dort werden jährlich 32 t Teppichboden verarbeitet, welcher in seine drei Hauptbestandteile zerlegt wird: Nylon 6, Polypropylen (PP) und Kalziumcarbonat.

Das Nylon 6 wird in Slowenien zusammen mit anderen Abfällen wie Fischereinetzen oder Textilresten weiterverarbeitet, um daraus ECONYL®-Nylon herzustellen. Polypropylen dient als Sekundärrohstoff in der Spritzgussproduktion und Kalziumcarbonat findet im Straßenbau sowie als Betonzusatz Verwendung. Pro 10.000 t verwendeten ECONYL® werden 70.000 Fässer Rohöl eingespart und 65.100 t CO2-Emissionen vermieden. Das global warming potential von ECONYL®- ist um 90 % geringer als von Nylon aus dem Primärrohstoff Erdöl.

Milchfaser aus Nebenprodukten der Milchindustrie

  • Milchfasern aus Kasein
  • Einsparung von Wasser in der Textilproduktion
  • Abfallverminderung in der Milchindustrie in Deutschland

Innovative Fasern in der Textilindustrie sind in den letzten Jahren zunehmend bekannter und populärer geworden. Obwohl Baumwoll- und Kunststofffasern weiterhin die gängigsten Materialien in der Branche sind, bringen immer mehr Unternehmen alternative Fasern auf den Markt. Es wird stets nach nachhaltigen Alternativen geforscht, da Kunststoff- und Baumwollfasern eine große Menge an Energie und Wasser in der Herstellung benötigen [Schweizer, S. (2020)].

Die neuartige Faser wird aus Kasein, dem Milcheiweiß, welches als Nebenprodukt in der Milchindustrie entsteht, hergestellt. Bekannt ist die Kaseinfaser bereits seit den 1930er Jahren, aber erst 2011 hat die Entwicklung der neuen Milchfaser Qmilk wieder Aufmerksamkeit erregt [Glore Handels GmBH (2022)].

Bei der Herstellung von Milchfasern stehen gleich zwei nachhaltige Schritte im Fokus. Zum einen benötigt die Milchfaser in der Produktion nur zwei Liter Wasser pro Kilogramm, im Vergleich zu 10.000 – 25.000 Liter für ein Kilogramm Baumwollstoff, und zum anderen werden in Deutschland jährlich 1,9 Tonnen Milch entsorgt, welche nicht mehr verzehrt oder weiterverarbeitet werden [Glore Handels GmBH (2022)].

Es muss sich bei der Milchfaser also keine Sorgen um mangelnde Rohstoffbestände gemacht werden, da bei der aktuellen Produktionsmenge von Milch genug unverwertbare Abfälle anfallen, die nicht in der Lebensmittelindustrie genutzt werden. Somit stellt die Kaseinfaser eine sehr nachhaltige Alternative dar, welche tolle Eigenschaften wie Kompostierbarkeit, Bakterienhemmung, Klimaregulierung und Verträglichkeit für Allergiker mit sich bringt [Glore Handels GmBH (2022)].

Recycling von Nebenprodukten der chemischen Industrie zu Textilfasern

  • Federkern-Betten aus Nebenprodukten der petrochemischen Industrie

Der norwegische Bettenhersteller Wonderland legt nicht nur Wert auf die Fertigung von hochwertigen Federkern-Betten, sondern auch auf nachhaltige Materialien und einen möglichst optimalen ökologischen Fußabdruck [Wonderland AS (2022b)].

Das verwendete Textil ‚Wonderland Recycable‘ besteht aus Propylen, welches bei der Herstellung von Ethylen dienenden Verfahren und Rohstoffen für Kunststoffe als Nebenprodukt anfällt [Seilnacht, T (2022)]. Propylen ist ein farbloses Kohlenwasserstoffgas und wird durch die Verfestigung zu Polypropylen in Pulverform. Zur Weiterverarbeitung wird das Pulver zu Pellets gepresst und anschließend werden diese eingeschmolzen. Daraufhin kann die Masse eingefärbt und nach der Erhärtung als Textilfaser zu einem Faden gesponnen werden [Wonderland AS (2022a)].

Das Unternehmen legt großen Wert auf ein Recycling und Upcycling und trägt durch die Nutzung von Nebenprodukten in der Produktion zur Reduzierung von Abfall bei. Wonderland ist zertifiziert durch das norwegische Eco-Lighthouse, welches in Norwegen das am weitesten verbreitete Umweltmanagementsystem ist. Außerdem ist Wonderland Mitglied bei Grønt Punkt Norge, welches sich um die Rückführung von Verpackungsabfällen kümmert [Wonderland AS (2022c)]. Mit der Nutzung unbedenklicher Materialien in den Matratzen legt das Unternehmen den Fokus nicht ausschließlich auf sein Umweltbewusstsein. Wonderland möchte auch zu vermeintlich besserer Schlafqualität verhelfen [Wonderland AS (2022b)].

Zellulosefasern aus Orangenschalen

  • Nachhaltiges Textil aus den Nebenprodukten der Zitrussaftindustrie
  • Einsparung der Entsorgung von Zitrusabfällen

Das Ziel, als Unternehmen nachhaltiger zu werden, kann erreicht werden, indem der Ressourcenverbrauch für einen Rohstoff minimiert wird. Hierfür setzt das sizilianische Unternehmen Orange Fiber, welches 2014 gegründet wurde, auf Innovationen. In diesem Fall ist der Rohstoff für seine Textilien ein Nebenprodukt der Zitrussaftindustrie und benötigt keine weiteren Ressourcen [Europäische Kommission (2018)].

Bei der Herstellung von Zitrussäften fallen Fruchtschalen als Abfallprodukt an. Orange Fiber nutzt Orangenschalen, um Zellulosefasern herzustellen. Diese Schalen machen 60 % des Nettogewichts der Frucht aus [Orange Fiber (2022)]. Die Fasern werden aus dem „Pastazzo“, den Überresten nach der Pressung, gewonnen. Von diesen Zitrusabfällen fällt allein in Italien jährlich eine Menge von 700.000 Tonnen an. Durch die Weiterverarbeitung können an dieser Stelle auch die Entsorgung und die damit verbundenen Kosten gespart werden [Haute Innovation (2022)].

Laut einer der beiden Gründerinnen kann Orange Fiber qualitativ mit Seide verglichen werden. Das Unternehmen hat damit die Aufmerksamkeit hochklassiger Modemarken auf sich erregt. 2016 hat das Unternehmen außerdem ein Forschungsgeld über 150.000€ vom Global Change Award erhalten [Europäische Kommission (2018)].

Rezykliertes Leder

  • Produktion von Lederrezyklaten 
  • Breite Anwendungsmöglichkeiten durch verschiedene Materialtypen
  • Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in der Lederindustrie

Jährlich fallen weit über zwei Millionen Tonnen Lederabfälle an, von denen die Verschnitte hochwertiger Oberleder aus der Konsumgüterindustrie rund 750.000 t ausmachen.

RELEA, eine Marke der Ledertech Deutschland GmbH, hat es sich zum Ziel gesetzt, 1,4 Millionen Tonnen dieser Abfälle jährlich zu recyceln und zu verschiedenen Produkten weiterzuverarbeiten.
Dabei verarbeitet das Unternehmen weiche Oberlederreste, Stanzabschnitte von Bodenledern sowie Reste von Gerbereien zu einem hochwertigen Lederrezyklat-Werkstoff. Dieser wird in unterschiedlichen, auch für dieses Material neuen Branchen verwendet.

In dem Herstellungsprozess werden die Lederabfälle zunächst zerkleinert und das Leder wird in die einzelnen Fasern gespalten. Um daraus ein neues Flächenmaterial herzustellen, werden den Lederfasern Naturkautschuk sowie natürliche Wachse und Fette zugegeben. Der Echtleder-Anteil der verschiedenen Materialtypen beträgt 55 bis 95 %. Eine Beschichtung des Sekundärwerkstoffs ermöglicht eine enorm große Vielfalt in der Farb- und Texturgestaltung.

Das Unternehmen bietet drei verschiedene Materialtypen, welche für die Anwendung in der Taschen- und Modebranche, der Möbelindustrie, dem Innenausbau sowie als Fußbodenbelag entwickelt wurden.

Reste aus der Lederindustrie werden so zu neuen Materialien und Produkten. Sie gelangen zur Weiterverarbeitung zurück in die produzierenden Unternehmen. Ziel ist es, zur Kreislaufwirtschaft in der Lederindustrie beizutragen und die Nachhaltigkeit der Branche zu stärken.

 

 

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